Redebeitrag zur globalen Fridays For Future Demo – 15.03.2019

Redebeitrag „Die Welt ist am Arsch“

Demo – Fridays for Future – Globaler Schul- und Unistreik – 15.03.2019, Hannover

Heute stehen auf der ganzen Welt Schüler*innen und Studierende gemeinsam gegen eine Politik, die unsere Zukunft und die Zukunft der gesamten Menschheit aufs Spiel setzt.

Die Welt ist am Arsch. Und das ist keine neue Info. Das wissen die Regierungen dieser Welt schon seit mehr als 50 Jahren. 1972 gab es mit dem „Club of Rome“ das erste internationale Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das der Welt einen Bericht vorlegte. In diesem Bericht stand, dass wenn alles so weitergeht wie bisher, die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht sein würden.

Das war vor 46 Jahren. Da waren meine Eltern noch Kleinkinder.

Ich frage mich heute: Warum ist seitdem nichts passiert? Warum sind seitdem trotzdem die globalen Wildtierbestände um 60 Prozent gesunken? Warum sind ganze Ökosysteme bedroht? Der Klimawandel fordert jetzt schon hunderttausende Opfer. Warum muss unsere Generation heute noch weltweit auf die Straße gehen, um wenigstens die Einhaltung der Pariser Klimaziele einzufordern? (Und das sind Ziele, die sich die Staaten selbst auferlegt haben!) Warum sieht die Kohlekommission trotz unserer Proteste im Hambi und bei den Freitagsdemos erst 2038 ein Ende der Kohle vor?

Ganz einfach: weil sich Umweltzerstörung heute immer noch genauso lohnt wie vor 50 Jahren. Umwelt und Klima schützen kostet. Auf den Schutz von Umwelt und Klima zu scheißen, spart Geld. Die Automobilindustrie bringt mehr Kohle als öffentliche Verkehrsmittel. Kohlekraft ist lukrativer als Windenergie. Die Unternehmen verdienen an der Zerstörung unserer Welt und die etablierten Parteien schützen die Unternehmen mit Ausreden, Gesetzen und Subventionen. Merkel hält die Grenzwerte für Luftbelastung unten, damit der VW-Konzern mehr Gewinn macht (,in dessen Aufsichtsrat übrigens unser Ministerpräsident Stefan Weil sitzt).

Politik und Wirtschaft zerstören unsere Welt. Langfristig. Unumkehrbar. Nur um jetzt, kurzfristig, schwärzere Zahlen zu schreiben.

Statt mal anzufangen, soziale und umweltfreundliche Politik zu machen, wird uns an den Kopf geworfen, dass wir doch weniger Plastiktüten und mehr Biosachen kaufen sollen; Biosachen, die sich niemand von uns leisten kann, weil SPD und CDU lieber Billigfleisch subventionieren als vernünftige Lebensmittel.

Umweltzerstörung muss zwangsläufig zu einer Gesellschaft gehören, deren Wirtschaft darauf ausgelegt ist, immer mehr Gewinn zu produzieren, immer mehr Kosten zu sparen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir leben in einer Welt, in der sich Menschen, Konzerne und Staaten permanent im Wettbewerb befinden. Das lernen wir in der Schule, wenn wir unser Klausurergebnis mit dem Klassendurchschnitt vergleichen oder später, wenn wir unser‘n Lebenslauf für die ersten Bewerbungen zurechtbasteln müssen.

Wenn unsere Generation eine Zukunft haben soll, dann müssen wir mehr fordern als die Einhaltung der Pariser Klimaziele! Wenn wir und die Generationen nach uns eine Zukunft haben sollen, dann müssen wir das Ende einer Gesellschaft fordern, die auf Konkurrenz und Wettbewerb aufbaut, die Gewinn und Profit über das Leben von Menschen, Tieren und Umwelt stellt. Wir müssen das Ende einer Gesellschaft fordern, die fröhlich ihre eigene Lebensgrundlage zerstört und damit sich selbst.

Unsere gegenwärtige Situation ist so verwickelt …, daß keine Kombination rein technischer, wirtschaftlicher oder gesetzlicher Maßnahmen eine wesentliche Besserung bewirken kann. Ganz neue Vorgehensweisen sind erforderlich, um die Menschheit auf Ziele auszurichten, die anstelle weiteren Wachstums auf Gleichgewichtszustände führen. Sie erfordern ein außergewöhnliches Maß von Verständnis, Vorstellungskraft und politischem und moralischem Mut. Wir glauben aber, daß diese Anstrengungen geleistet werden können!“

Dieses Zitat stammt auch aus dem Bericht des Club of Rome von vor 46 Jahren.

Und heute stehen wir hier mit jenem außergewöhnlichen Maß an Vorstellungskraft und mit jenem politischen und moralischen Mut!

Letztes Jahr hat Greta Thunberg gesagt: If solutions within the system are so impossible to find, maybe we should change the system itself.“ Damit hat ein 15-jähriges Mädchen heute mehr begriffen als nahezu sämtliche jetzige und ehemalige Staats- und Regierungsoberhäupter der Welt zusammen.

Wir alle haben mehr begriffen.

Diese Welt ist von Menschen gemacht und Menschen können sie verändern. Wir haben die Wahl! Es ist unsere Zukunft die auf dem Spiel steht, es ist unsere Welt für die wir verantwortlich sind und es ist unsere Aufgabe dafür zu kämpfen, solange es noch geht. Die Art, wie wir wirtschaften ist ein globales Problem – die Umweltzerstörung ist ein globales Problem. Der Kampf gegen die Zerstörung unserer Welt – und damit gegen unsere wettbewerbsorientierte Wirtschaft – muss ein globaler Kampf sein! Deswegen sind wir heute gemeinsam auf der Straße als Schüler*innen und Studierende – auf der ganzen Welt, in 60 Ländern, in mehr als 500 Städten auf allen Kontinenten!

Die Welt ist am Arsch. Aber wenn ich euch sehe, wenn ich uns sehe, wie wir zu tausenden auf der Straße sind, für eine lebenswerte Zukunft, überhaupt für eine Zukunft, habe ich Hoffnung!

Noch ist eine andere Welt möglich und unsere Generation ist gerade dabei, sich diese Welt zu erschaffen.

Wir dürfen nicht aufhören dafür zu kämpfen!

Danke, dass ihr alle hier seid!

Danke, dass ihr kämpft und dass ihr nicht aufhört, bis die alten weißen Anzugtragenden Männer uns zurückgeben, was uns gehört…

unsere Zukunft!


(Foto von Ben Akimow, https://www.flickr.com/people/162668561@N04/)