Kein Schlussstrich- Redebeitrag

Wir sind heute hier – heute, am Tag der Urteilsverkündung des NSU-Prozess – um deutlich zu machen, dass es keinen Schlussstrich gibt! Dass für uns die Auseinandersetzung mit dem NSU, mit der Rolle von Behörden und Verfassungsschutz und mit dem skandalösen, sogenannten „Aufklärungsverfahren“ noch lange nicht vorbei ist. Institutioneller Rassismus. Das ist einer der Hauptgründe, warum wir heute auf der Straße sind. Und es gibt niemanden hier, der die Legende des bedauerlichen Einzelfalls rassistischer Polizeigewalt glaubt. Die immer wieder vorgenommene Darstellung eines Einzelfalls dieser Gewalt verschleiert sie als strukturelles Problem. Sie reicht von selektiven Kontrollen, über körperliche, psychische und sexuelle Misshandlungen bis hin zu Mord. Polizist*innen handeln nicht nur in Übereinstimmung mit herrschenden Diskursen zur Migrationssteuerung. Nein, sie lenken den Diskurs auch wesentlich mit, um das Bestehen des Apparats zu rechtfertigen und auszuweiten. Einordnung und ständiges Wiederholen rassistischer Stereotype gehören zum beruflichen Alltag. Jetzt schon wird der institutionelle Rassismus auf juristischer Grundlage durch verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen, Schleierfahndungen und Racial Profiling vorangetrieben. Rassismus ist dort gängige Praxis. Eine weitere Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Behörden, wie es das NPOG vorsieht, wird diese Praxis sogar noch verstärken.

Die gesamten Ermittlungen im Rahmen des NSU-Prozess waren geprägt von rassistischen Vorurteilen von Seiten der Behörden und der Polizei, sodass das Umfeld der Opfer und Betroffenen zusätzlich noch staatliche Repression erleiden musste. Ohne die grandiose Arbeit der NebenklägerInnen wäre die systematische Behinderung des Verfahrens durch den Staat und seine Behörden nicht in solchem Umfang zu Tage befördert worden. Und wir reden hier nicht von nur Duldung, Verleugnung oder dem Herunterspielen rechter Gewalt, allein das wäre ja schlimm genug. Wir reden hier von einer aktiven Beteiligung an rechtsradikaler Gewalt durch Behörden und V-Leute. Wir reden von einer rassistischen Praxis der Polizei, der Behörden und des Staates. Wir reden von institutionellem Rassismus. Auch, wenn ihr die Exekutive des Staates seid, per se aufs Gehorchen getrimmt und in hierarchischen, regressiven Strukturen verhaftet seid.. Fangt mit dem Denken an, hört auf, blind zu gehorchen, denkt über euren Beruf nach!

Für uns bedeutet das Ende des Prozesses nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU und der Gesellschaft, die ihn möglich machte:

Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen!
Verfassungsschutz auflösen – V-Leute abschaffen!
Dem aktuellen rassistischen Terror gegen Geflüchtete und Migrant*innen entgegentreten!
Rassismus in Behörden und Gesellschaft bekämpfen!