Hochschulpolitisches Programm

Der Neoliberalismus ist mit dem Bologna-Prozess an den Hochschulen angekommen. Das Studium richtet sich fast nur noch an marktkonformen Verwertungskriterien aus. Die Hochschule selektiert die Studienanfänger*innen über Aufnahmeprüfungen, den Numerus Clausus und teilweise immer noch durch Studiengebühren. Die Mehrheit der Studierenden muss und soll nach dem Bachelor die Hochschule verlassen. Dies verschärft die soziale Ungleichheit im Hochschulsystem. Frauen, Migrant*innen und Kinder von Geringverdiener*innen sind im besonderen Maße betroffen, wie Zahlen über Studienanfänger*innen und Master-Absolvent*innen verdeutlichen.

DIE LINKE.SDS wehrt sich gegen die neoliberale Umstrukturierung der Hochschulen. Gemeinsam mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen kämpfen wir in den Hochschulen und auf der Straße für…


Bildung für alle

In keinem anderen Industrieland der Welt bestimmt die soziale Herkunft eines Kindes den Bildungsweg so stark wie in Deutschland. Kinder aus einkommensschwachen Haushalten und insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund erreichen deutlich seltener höhere Bildungsabschlüsse als Kinder aus mittleren und oberen Einkommensschichten. Die Ursache liegt unter anderem in früheren Bildungsphasen und hier insbesondere im gegliederten Schulsystem, das Kinder schon früh in unterschiedliche Schulformen einsortiert und auf diese Weise soziale Ungleichheit zementiert. Die soziale Selektion fängt also nicht erst an den Hochschulen an.

Wir fordern:

  • ausfinanzierte und bedarfsdeckene Kitas und Gemeinschaftsschulen
  • die Einführung des eingliedrigen Schulsystems unter Aufhebung der bisherigen Förder- bzw. Sonderschulen und Verbesserung des Lehrer-Schüler-Verhältnisses in den Schulklassen
  • ein umfassendes Schüler*innen-BAföG
  • die Ausweitung alternativer Zugangswege an die Hochschulen
  • eine bessere und den Herausforderungen des Berufes entsprechende Bildung und Ausbildung für Erzieher*innen und Lehrer*innen

Offene Hochschulen

Schon oft wurde von Seiten der herrschenden Politik vollmundig versprochen die Studierendenquote auf 40 Prozent eines Jahrgangs anzuheben. Dennoch versperren steigende Semesterbeiträge, der Abbau von Studienplatzkapazitäten, die Verschleppung der BAföG-Anpassung und teils immer noch Studiengebühren weiter die Türen der Hochschulen. Dies trifft junge Menschen aus einkommensschwachen Schichten in besonderem Maß.

Wir fordern:

  • ein garantiertes Recht auf Master für alle
  • die Abschaffung des Numerus Clausus und jeglicher Zulassungsbeschränkungen
  • die Ausfinanzierung und den am Bedarf orientierten Ausbau der Studienplatzkapazitäten
  • die Einführung eines elternunabhängigen BAföG ohne Rückzahlungspflicht (Studienhonorar) sowie kurzfristig die Anhebung des BAföG-Satzes für Studierende um mind. 21% aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten
  • die konsequente Einhaltung der gesetzmäßigen 2-jähtrlichen Überprüfung der Angemessenheit des BAföG-Satzes
  • ein bundesweit gebührenfreies Studium
  • einen vereinfachten Zugang zur Hochschule für Azubis und Fachabiturient*innen

Soziale Hochschulen

Immer weniger Studierende haben ausreichend Geld zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes und somit auch des Studiums. Etwa die Hälfte verfügt über weniger als den von den Familiengerichten in Höhe von 640 Euro festgelegten Unterhaltswert. Gleichzeitig steigen die Lebenserhaltungskosten: Mieten, Energie und Lebensmittel werden immer teurer. 62% der Studierenden gehen neben dem Studium einer Erwerbsarbeit nach. Die Zuweisungen an die Studierendenwerke werden zusammengestrichen, Beratungs- und Betreuungsleistungen abgebaut. Es fehlen kulturelle Angebote sowie Hilfe und Unterstützung für chronisch Kranke und Studierende mit Behinderung, Migrationshintergrund oder Kind.

Wir fordern:

  • den Ausbau der sozialen Infrastruktur durch bessere Ausfinanzierung der Studierendenwerke und einen Campus ohne Kommerz
  • den Ausbau von KiTa-Plätzen an den Unis
  • den Ausbau von Studiwohnheimen und sozialem Wohnraum
  • gleiche Rechte für Studierende ohne deutschen Pass, unabhängig von ihrem Herkunftsland oder ihrer finanziellen Situation
  • ein Ende der finanziellen Diskriminierung ausländischer Studierender durch Erhebung gesondeter Gebühren
  • eine barrierefreie Uni

Faire Arbeitsbedingungen an den Hochschulen

Auch darüber hinaus macht die herrschende unsoziale Politik vor den Hochschulen nicht Halt. Die Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft sind zunehmend prekär; „Ein-Euro-Jobs“ in der Forschung und Studium sind längst keine Ausnahme mehr. Die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen und Niedriglöhnen betreffen viele Studierende, die zur Finanzierung ihres Studiums arbeiten müssen. Wir unterstützen deshalb die Kämpfe von Praktikant*innen und prekär Beschäftigten um bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung sowie die Bemühungen der Gewerkschaften um ihre Organisierung.

Wir fordern:

  • die konsequente Ablehnung von Beschäftigungen mit Mehraufwandentschädigung („Ein-Euro-Jobs“)
  • die Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen an den Hochschulen und tarifliche Arbeitssverhältnisse auch für studentische Beschäftigte
  • einen sofortigen Stopp des Outsourcing und die Rückführung aller bisher ausgelagerten Beschäftigungsverhältnisse
  • die Abschaffung prekärer Arbeitsverhältnisse an den Hochschulen z.B. Umwandlung der (dauer-, ketten-) befristeten Arbeitsverhältnisse in unbefristete, insbesondere für den Mittelbau

Demokratische Hochschulen

Unter dem Schlagwort der Autonomie werden Hochschulen mehr und mehr zu unternehmensförmigen Institutionen mit starken Leitungsgremien und mit vorrangig durch die Privatwirtschaft besetzten Aufsichtsräten umstrukturiert. Sie haben oft sehr weitreichende Befugnisse, wie die Wahl der Präsident*innen oder Rektor*innen. Die Privatwirtschaft baut systematisch ihren Einfluss auf Forschung und Lehre durch Sponsoring, Drittmittel und durch die Beteiligung an der Akkreditierung von Studiengängen aus. Die Autonomie, die von Seiten der neoliberalen Hochschulreformer*innen gepredigt wird, entpuppt sich als eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit. Vielmehr werden Bildung und Wissenschaft der kapitalistischen Sachzwanglogik unterworfen.

Zugleich werden die akademischen und studentischen Gremien geschwächt und ihrer Mitbestimmungsrechte beraubt. Auch individuell fehlt es vielfach durch höhere Präsenzzeiten, Anwesenheitslisten, fehlender Studienfinanzierung und verschulten Studiengängen an Möglichkeiten für politisches und soziales Engagement.

Wir fordern:

  • die Abschaffung der entscheidungsbefugten Hochschulräte zu Gunsten von beratenden Kuratorien, die in ihrer Besetzung die soziale Realität der Gesellschaft widerspiegeln
  • die Ausweitung gleichberechtigter Mitbestimmung aller Statusgruppen durch Einführung der Viertelparität
  • die bundesweite Verankerung der Verfassten Studierendenschaft mit allgemeinpolitischem Mandat
  • einen vorlesungsfreien Gremiennachmittag an allen Hochschulen, um allen die Möglichkeit zu geben, sich am Hochschulleben zu beteiligen

Solidarisches Lernen und kooperative Wissenschaft

Die 2006 begonnene Exzellenzinitiative fördert ein Zwei-Klassen-System in der Hochschullandschaft. Einige Universitäten werden zu sogenannten Eliteuniversitäten deklariert und in dem Zeitraum von 2006 bis 2017 mit insgesamt 4,6 Milliarden Euro gefördert. Dies passiert in einer Situation, in der die deutschen Hochschulen chronisch unterfinanziert und völlig überlastet sind. Die Studierendenzahl steigt erfreulicherweise stark an, aber die Ausfinanzierung der Studienplätze ist nicht gewährleistet. Die zusätzlichen Mittel durch den Hochschulpakt sind bis 2020 ausgelegt, sind aber schon seit 2013/14 aufgebraucht.

Wir fordern:

  • dass für die Exzellenzinitiative aufgewendeten Mittel allen Hochschulen zur Verfügung gestellt werden
  • Breitenförderung im Rahmen einer bundesweiten Hochschulplanung
  • die Hochschulen dafür Sorge tragen, die Studienabbrecher*innenquote zu senken, um darauf hinzuwirken allen Studierenden einen Abschluss zu garantieren
  • ein Hochschulzulassungsgesetz, welches vom Recht auf einen Studienplatz und nicht vom Recht der Hochschulen auf Auswahl der Studierenden ausgeht

Kritische und emanzipatorische Wissenschaft

Die Kürzungen der öffentlichen Mittel für die Hochschulen und die zunehmende Abhängigkeit der Wissenschaft von der Einwerbung von Drittmitteln führen dazu, dass an den Hochschulen nicht im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung gelehrt und gelernt wird. Unternehmen bekommen über die Vergabe von Drittmitteln massiven Einfluss über elementare Bereiche von Forschung und Lehre. Ziel einer solchen marktkonformen Hochschulbildung ist die Legitimation der bestehenden Verhältnisse und die Versorgung des Arbeitsmarktes mit billigen unkritischen Arbeitskräften zur Sicherstellung der weiteren Kapitalakkumulation. Wissenschaft sollte Studierende jedoch dazu befähigen, gesellschaftliche Missstände zu erkennen, zu analysieren, Alternativen zu erarbeiten, ihr eigenes Fach und seine Rolle in der Gesellschaft – vielleicht sogar die Gesellschaft selbst – zu hinterfragen. Stattdessen beschränkt sich die Aufgabe der Wissenschaft in der Affirmation des Bestehenden und der Erfüllung privatwirtschaftlicher Forschungsaufträge mit dem Ziel aus den daraus erzielten Forschungsergebnissen Profite zu generieren.

An den Hochschulen ist immer weniger Raum für kritische Wissenschaft – geschweige denn für marxistische Theorie. Die Unis werden damit ihrem Anspruch nicht gerecht. Das Fehlen alternativer Ansätze an den Unis rächt sich, wie an der Finanzkrise und dem Versagen der Mainstream-VWL zu sehen ist. Undemokratische und instransparente Berufungsverfahren machen es schwer, kritische Professor*innen auf Lehrstühle zu berufen. Daneben halten sich männerdominierte Berufungskartelle beharrlich: 2013 ist nur etwas weniger als jede fünfte Professur mit einer Frau besetzt (19%).

Wir fordern:

  • die Einführung einer Frauenquote bei der Berufung von Professor*innen sowie eine quotierte Besetzung der Berfungskommisssionen
  • öffentliche Verantwortung für die Hochschulen anstatt Privatisierungen im Studium und an den Hochschulen
  • bessere Finanzierung der Hochschulen, um ihre Unabhängigkeit von den Drittmitteln der Privatwirtschaft zu gewährleisten
  • den Ausbau von Lehrangeboten und Forschung zu kritischer und marxistischer Wissenschaft
  • eine Quote für kritische Wissenschaftler*innen von 20%, um Pluralität in der Wissenschaft und die Wissenschaftsfreiheit von Forscher*innen mit kritischen Ansätzen sicherzustellen

Kritische und emanzipatorische Bildung

Mit der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master werden Freiräume im Studium immer kleiner. Als Ziel des Studiums wird „employability“ genannt: Studierende sollen lernen, sich möglichst reibungslos den Erfordernissen des bestehenden Arbeitsmarktes anzupassen. Ein Studium muss die Perspektive auf eine selbstbestimmte Rolle in der Gesellschaft vermitteln. Dazu gehört nicht nur Beschäftigungsfähigkeit, sondern kritische Praxisorientierung, die Absolvent*innen in die Lage versetzt, erworbene wissenschaftliche Qualifikationen auch als Instrument für gesellschaftliche Veränderung zu verstehen.

Wir fordern:

  • die Abschaffung der Kernelemente des Bachelor-Master-Systems (Credit-Points, Modularisierung, strikte Vorgaben im Zeitablauf, permanenter Prüfungsdruck, keine freie Fächerwahl) zu Gunsten exemplarischen Lernens, Projektstudium, Notenfreiheit und der Möglichkeit eigenständiger inhaltlicher Studiengestaltung
  • den Ausbau selbstorganisierter Seminare und alternativer Studienangebote sowie deren Anerkennung in Form von Leistungsnachweisen. Hochschulen müssen solche Seminare in ihr Lehrangebot aufnehmen und auch finanzieren
  • kritische Praxisorientierung im Studium
  • einen tariflich abgesicherten Berufseinstieg und angemessene Arbeitsbedingungen statt unbezahlte Praktika und befristete Arbeitsverhältnisse

Friedliche und umweltbewusste Hochschulen

An vielen Hochschulen wird an Waffen und Ausrüstungsgeräten für Rüstungskonzerne und die Bundeswehr geforscht. Deutschland ist einer der wichtigsten Waffenexporteure weltweit und die Bundeswehr in vielen Krisengebieten im Einsatz. Frieden und Konfliktlösung muss jedoch ohne Waffen schaffbar sein! Dies braucht neben der Absage von Kriegs- und Auslandseinsätzen auch einen Stopp von rüstungs- und kriegsrelevanter Forschung an den Hochschulen. Eine Zivilklausel ist ein erster wichtiger Schritt zu einer verantwortungsvollen Wissenschaft für Frieden und zivile Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit.

Trotz des Ausstiegs aus der Atomkraft wird an einigen Universitäten immer noch an der Atomkraft geforscht und der Bau neuer Atomkraftwerke im Ausland wird geplant. Das Geld wäre sinnvoller in der Erforschung erneuerbarer Energien angelegt. Zudem sind Hochschulen und ihre Infrastruktur selbst enorme Energiefresser.

Wir fordern:

  • das Ende der Atom- und Rüstungsforschung
  • die Einführung einer Zivilklausel, die die Forschung der Hochschulen auf zivile Belange festlegt
  • Forschungen zu Umweltschutz und erneuerbaren Energien
  • die energetische Sanierung der Hochschulen und eine ressourcenschonende Infrastruktur

Andere Bildung für eine andere Gesellschaft

Offene, soziale und demokratische Hochschulen sowie solidarische, kritische und emanzipatorische Wissenschaft lassen sich nur durch eine deutliche Steigerung der Hochschulausgaben von Bund und Ländern erreichen. Durch die Förderalismusreformen entzieht sich der Bund aus der gesellschaftlichen Verantwortung, für die Finanzierung der Bildung Sorge zu tragen und überträgt diese in die Länder.

Viele der von uns kritisierten Zustände und Entwicklungen sind nicht einfach „Fehler“ einer schlechten Politik – sie entsprechen der Logik einer Gesellschaft deren Wirtschaftssystem auf Kapitalverwertung beruht.

Unser Kampf um freie Bildung für alle, demokratische Hochschulen und kritische Wissenschaft ist deshalb zugleich der Kampf um eine andere Gesellschaft, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Wir fordern:

  • eine grundlegende Umkehr in der herrschenden Steuer- und Finanzpolitik
  • die Abschaffung der Schuldenbremse, da mit ihr der notwendige Aus- und Umbau der Hochschulen stets Finanzierungszwängen zum Opfer fallen wird
  • eine weitreichende Umverteilung von oben nach unten sowie die Stärkung öffentlicher Kassen durch massive Besteuerung der Großkonzerne und Vermögenden