Redebeitrag zur NoNPOG-Demo – 08.09.2018

Rede des SDS anlässlich der Demonstration gegen das NPOG am 08.09.2018 in Hannover
Die Polizei als Exekutive des kapitalistischen Staates – Kämpfe verbinden

Vor genau 50 Jahren – unter der ersten GroKo aus CDU und SPD – wurden die deutschen
Notstandsgesetze beschlossen. Genau wie damals sehen wir uns heute dem Versuch gegenüber, den
brutalen Gewaltapparat der herrschenden Klasse auf Gesetzesebene auszubauen. Damals antwortete
die Opposition mit Blockaden, Unibesetzungen und Demos; und dem Sternmarsch auf Bonn, an
dem zehntausende Demonstrant*innen teilnahmen. Dieses Jahr jähren sich nicht nur
Gesetzesentwürfe und Regierungen, sondern auch der Protest dagegen!! Deswegen sind wir heute
zu tausenden auf der Straße: um gegen den Ausbau der Gewaltinstrumente des kapitalistischen,
undemokratischen und unsozialen Staates zu kämpfen!

Unter dem Vorwand einer vermeintlichen islamistisch-terroristischen Bedrohung hat in den vergangenen Jahren ein Prozess der Entgrenzung staatlicher Macht und der Militarisierung der
inneren Sicherheit stattgefunden, der den Ausnahmezustand normalisieren soll. Die rechte Hetze
und das Schüren von Angst und Hass in den Medien und durch rechte Parteien haben diesen Prozess
beschleunigt und legitimiert. Heute antwortet Horst Seehofer auf die Geschehnisse in Chemnitz mit
der Forderung nach einer stärkeren Polizei. Dabei ist es die jahrelange rassistische Hetze; die
jahrelange Verharmlosung organisierter rechter Gewalt durch CDU, CSU und AfD, die dafür
gesorgt hat, dass heute Neonazis gemeinsam mit der bürgerlichen Mitte ungehindert Jagd auf
Menschen machen, die nicht „deutsch“ genug aussehen. Die Neuen Polizeigesetze ebnen den Weg
für rechte Parteien wie AfD, CSU und CDU als faschistische Gefahr; und die FDP und die
Sozialdemokraten machen mit und sind genauso verantwortlich für jede Verletzung der
Menschenrechte, die auf dieser Grundlage begangen wird!

Gemeinsam mit einer unmenschlichen deutschen und europäischen Außenpolitik, die die
Seenotrettung auf dem Mittelmeer verhindert und für zehntausende Tote an den Grenzen
verantwortlich ist; gemeinsam mit einer grausamen und rassistischen Asylpolitik, die sich in
Abschiebungen, Internierung in Lagern und menschenunwürdigen Lebensverhältnissen äußert, sind
die Neuen Polizeigesetze ein weiterer Schritt in Richtung Menschenrechtsverletzungen, Rassismus
und Gewalt per Gesetz. Dies ist eine Entwicklung, die wir so schon einmal erlebt haben und die wir
nie wieder zulassen dürfen! Wir sagen: Wo Recht zu Unrecht wird, da wird Widerstand zur Pflicht!

Die Neuen Polizeigesetze bergen nicht nur eine faschistische Gefahr. Sie sind der brutale,
gewaltsame und unmenschliche Versuch all diejenigen zu kriminalisieren und handlungsunfähig zu
machen, die sich für Menschenrechte, gute Arbeits- und Lebensverhältnisse, für Frieden und für
Umweltschutz einsetzen. Also für all das, dessen wirkliche Umsetzung es in einem kapitalistischen,
einem profit- und leistungsorientiertem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem nicht geben kann.

Das Jahr 2018 ist ein weiteres Jahr unvorstellbarer Repression und staatlicher Gewalt: die brutale
und unverhältnismäßige Niederschlagung der Umweltschutzbewegung im Hambacher Forst zur
Durchsetzung kapitalistischer Profitinteressen. Die Verfolgung und Kriminalisierung unserer
kurdischen Genoss*innen, die für Gleichberechtigung, Frieden und Umweltschutz kämpfen. Das
lächerliche Ende und traurige Ergebnis des NSU-Prozesses. Die Verhinderung der Seenotrettung im
Mittelmeer. Die Verfolgung und Repression unserer Genoss*innen, die als Teil des Gegenprotests
zum G20-Gipfel in Hamburg in notstandsähnlichen Verhältnissen niedergeknüppelt wurden. Eine
Polizei, die als Exekutive des Staates all dies mit unverhältnismäßiger, körperlicher und psychischer
Gewalt durchsetzt und immer straffrei davonkommt, während wir, als politisch und sozial
engagierte Menschen, die für Humanismus und Demokratie einstehen, schon bei geringstem
Widerstand mit hohen Freiheitsstrafen rechnen müssen. Das Jahr 2018 ist ein weiteres Jahr der
Demokratielosigkeit!

Wir brauchen keine Polizei, die die rassistische Politik der rassistischen Regierung umsetzt. Wir
brauchen keine Polizei, die sich gegen gewerkschaftliche Arbeit, soziales Engagement und
Umweltschutz richtet! Wir brauchen keine Polizei, die mit aller Gewalt die Profitinteressen von
Unternehmen durchsetzt und wir brauchen keine Polizei, die Demokratie und Grundrechte mit
Füßen tritt! Was wir brauchen, ist Widerstand aus allen Bereichen der Bevölkerung; von allen
mündigen Menschen, die auf demokratischer Grundlage eine bessere und lebenswerte Welt für alle
erschaffen wollen.

Vor 50 Jahren – im Zuge der 68er Bewegung – wurde es so formuliert: „Protest ist, wenn ich sage,
das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt,
nicht länger geschieht.“ Es ist unsere Pflicht als radikal demokratische Linke, unsere Pflicht als
Menschen, die das mit der Menschlichkeit noch ernst nehmen, alle uns zur Verfügung stehenden
Mittel zu nutzen, um jede weitere Einschränkung unserer Grundrechte zu verhindern. Es ist unsere
Pflicht dafür zu sorgen, dass das Sterben im Mittelmeer nicht länger geschieht! Dass die Zerstörung
der Umwelt nicht länger geschieht! Dass rassistische Hetze und Gewalt nicht länger geschehen!
Dass die kapitalistische Ausbeutung und all ihre Folgen nicht länger geschehen! Wir sind
diejenigen, die Geschichte machen, die die Realität in der wir leben tagtäglich mit erschaffen! Wir
sind diejenigen, die diese Welt zum Guten verändern können; alle gemeinsam! Zusammen! Das ist
unsere Verantwortung! Das ist unsere geschichtliche Möglichkeit!